Die ruandische NGO „Hand in Hand for Development“ (übersetzt: Hand in Hand für Entwicklung, kurz: HIHD) wurde 2016 offiziell registriert. Sie arbeitet jedoch bereits seit sieben Jahren daran, marginalisierte Bevölkerungsgruppen durch Trainings (wieder) in die Gesellschaft einzugliedern. Marginalisierte Personen sind z.B. Witwen, Frauen, die sich mit HIV oder AIDS infiziert haben, Kinder, Menschen mit Behinderungen und Jugendliche. Lemonaid und ChariTea e.V. unterstützt HIHD seit Juni 2019 bei dem Aufbau von Jugend- und Frauenkooperativen zur Stärkung der ökonomischen und sozialen Selbstständigkeit.


Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen?

Ruanda ist für seine Vorbildfunktion im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit bekannt. Mit über 60 Prozent weiblichen Parlamentarier*innen stellt die ruandische Regierung den höchsten Anteil an weiblichen Parlamentarier*innen in der Welt. Zum Vergleich: In Deutschland sind es nur 30,7 Prozent. Das liegt unter anderem an dem in der Verfassung von 2003 verankerten Fundament der Geschlechtergleichbehandlung. Diese soll durch zwei Kontrollorganismen garantiert werden: dem Gender Monitoring Office und dem Nationalen Frauenrat. Dennoch bleibt Ruanda ein patriarchalisch geprägtes Land. Das spiegelt sich besonders in der bis dato anhaltenden Abhängigkeit vieler Frauen vom Gehalt ihrer Männer wider. Da während des Völkermordes 1994 jedoch besonders viele Männer getötet wurden, machen Frauen und Waisen einen größeren Bevölkerungsteil aus. Das Leben vom alleinigen Gehalt der Männer ist daher im Alltag de facto kaum möglich. So führt die wirtschaftliche Marginalisierung der Frauen auch häufig zu ihrem vollständigen Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben.

Patient Niyitegeka, Gründer von Hand in Hand for Development, wuchs nahe eines Waisenhauses auf, in dem sein Vater als Koch beschäftigt war. Durch diese Erfahrung kam er schon früh mit den Problematiken Ruandas in Berührung – besonders die gesellschaftliche Integration von Waisenkindern. Dass er während seiner Schulzeit gut unterstützt wurde, brachte ihn zu dem Entschluss, Sozialwissenschaft zu studieren. Mit seinem Schwerpunkt in Sozialförderung kann er sich somit beruflich dafür engagieren, dass auch andere die Chance auf Bildung und gesellschaftliche Eingliederung bekommen. Die ersten, durch Einzelspenden finanzierte, Projekte, unter anderem zur Ernährung von Straßenkindern, führte er mit Freund*innen durch. Mit der Zeit wurde das Handeln der Gruppe strategischer und professioneller. Das führte 2016 schlussendlich zur Gründung von Hand In Hand for Development.

Verbesserung der Lebensqualität durch ökonomische Weiterbildung

Das, mittlerweile sechsköpfige, Team führte bereits Projekte in den Bereichen Landwirtschaft, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, wirtschaftliche Emanzipation sowie Unterstützung marginalisierter Gruppen durch. Die Mission der Gruppe: Eine Gesellschaft mit besseren Lebensbedingungen für alle zu schaffen. Dabei liegt der Fokus insbesondere auf Kindern, Witwen und Menschen mit Behinderungen.

Das HIHD Team vor ihrem Büro. Hier werden Jugend- und Frauenkooperativen gebildet.
Das HIHD Team vor ihrem Büro © Ailleen Puhlmann

Unter anderem wurden 42, in den Bereichen Handwerk und Schneiderei tätige, Frauen in finanzieller Bildung, Führung von Kleinunternehmen und dem Management von Kooperativen geschult. Jede Gruppe erhielt zum Ende 1.050.000 RWF (circa 1.000 €), um ihr Business auszubauen. Die Ausbildung in Kombination mit der finanziellen Unterstützung ermöglicht langfristige ökonomische Selbstständigkeit. HIHD unterstützt und bildet darüber hinaus Menschen, die mit Albinismus leben. Sie werden beruflich gebildet und in ihren Rechten geschult, außerdem werden Kredite vergeben. Das gewährleistet die soziale und wirtschaftliche Integration in die Gesellschaft.

Ökonomische und soziale Absicherung schaffen

Die westliche Provinz Ruandas, und besonders der Bezirk Rubavu, ist die Region, die von dem Bürger*innenkrieg und Völkermord am stärksten betroffen war. Viele Witwen und junge Mütter, sind jetzt durch fehlende finanzielle Mittel und mangelndes Wissen über wirtschaftliche Tätigkeiten mit Perspektivlosigkeit konfrontiert. Auch der Drogenkonsum unter Jugendlichen ist durch die hohe Arbeitslosigkeit und die Folgen des Bürger*innenkrieges angestiegen. Junge Frauen rutschen in die Armut, weil sie aufgrund von ungewollten Schwangerschaften aus familiären Bindungen ausgestoßen werden.  Die ruandische Regierung stellt nur begrenzte Mittel für die soziale Absicherung bereit und hinkt bei der geplanten Verbesserung der Sozialprogramme hinterher. Herausforderungen im Bereich der Armutsbekämpfung und des Zugangs zu finanziellen Ressourcen bleiben bestehen, insbesondere bei jungen Müttern, Jugendlichen und Witwen. Daher ist es besonders hier wichtig, den marginalisierten Bevölkerungsgruppen andere Zukunftsaussichten aufzuzeigen.

Treffen von Witwen_Jugend- und Frauenkooperativen.
Treffen von Witwen © Aileen Puhlmann

Gegenseitige Unterstützung durch Jugend- und Frauenkooperativen

Das neue HIHD Projekt „Jugend und Frauen Empowerment Initiativen für die Eigenständigkeit der Rubavu Region“ setzt auf den Aufbau von Jugend- und Fraueninitiativen zur Stärkung ihrer ökonomischen und sozialen Selbstständigkeit. Das geschieht in den Regionen Gisenyi, Rugerero und Mudende. Ziel ist es, einkommensschaffende Aktivitäten in den Bereichen Nähen, Weben, Schneidern, Handwerk und Landwirtschaft zu unterstützen. HIHD leistet außerdem Hilfe beim Kapazitäten- und Kompetenzaufbau. Insgesamt sollen so 85 Teilnehmer*innen, Witwen, junge Mütter und Jugendliche, profitieren. Das Unternehmer*innentum der Teilnehmer*innen wird durch die HIHD Trainings gefördert. Das stärkt die Wirtschaft Ruandas und vor allem die eigenen Lebensumstände der Teilnehmer*innen.

Hand in Hand: Von wirtschaftlicher zu sozialer Integration

Das Projekt trägt zur Verbesserung des sozioökonomischen Wohlstands, der Einkommensbildung, der Produktion und der Beschäftigung von 85 jungen Müttern, Witwen, Jugendlichen und anderen gefährdeten Frauen bei. Die Jugend- und Frauenkooperativen zeigen damit, wie nachhaltige Lösungen zum Umgang mit verschiedensten Problemen der Region aussehen können (ein weiteres Partnerprojekt, das sich mit marginalisierter Bevölkerung in Ruanda beschäftigt ist AIMPO).

Der Lemonaid und ChariTea e.V. fördert das Projekt durch die finanzielle Unterstützung der Trainings, des Kreditprogramms, der Übernahme von administrativen und logistischen Kosten, sowie bei der technischen Ausstattung des Projektes.

Langfristiges Ziel der Arbeit von Hand in Hand for Development ist es, durch Empowerment die marginalisierte Bevölkerung Ruandas darin zu unterstützen, ein selbstständiges Leben führen zu können und die ökonomische und soziale Integration von jungen Müttern, Witwen, Jugendlichen und Waisen zu beschleunigen. Des Weiteren will HIHD die immer noch vorhandenen patriarchalen Strukturen Ruandas auflösen, und zu Gleichberechtigung in der ruandischen Gesellschaft beitragen.