Durch cleveren Einsatz können Technologien dazu beitragen unbezwingbar scheinende Hürden zu überwinden. Genau das schafft die Organisation SOCEO. Ziel ihrer Arbeit ist es, den Frauen aus verschiedenen Dörfern im Darjeeling Distrikt durch Entrepreneurship-Schulungen und die Nutzung einer Onlineplattform einen verbesserten Marktzugang zu verschaffen. Nach einer sehr erfolgreichen einjährigen Pilotphase wird das Projekt für drei weitere Jahre weitergefördert. Aufbauend auf den Erfahrungen aus dem letzten Jahr sollen mehr Frauen erreicht, als auch die Aktivitäten und Produkte weiter diversifiziert werden.


Die am Fuße des Himalayas gelegene, indische Region Darjeeling ist weltweit bekannt für ihren Tee. Gleichzeitig gilt sie als eine der wirtschaftlich am wenigsten entwickelten Regionen Indiens. Dies ist auf verschiedene Ursachen zurückzuführen: Neben schwierigen geographischen und klimatischen Bedingungen, erschweren auch ethnische Konflikte und die damit zusammenhängende politische Instabilität die positive Entwicklung der Region. Außerdem zeichnet sich in Darjeeling ein weltweit immer wiederkehrendes Muster ab: Von dem wirtschaftlichen Aufschwung, der auch in der kleinen Bergregion im Nordosten Indiens durchaus zu spüren ist, profitieren vor allem große, einflussreiche Unternehmen mit Zugang zu Ressourcen und überregionalen Märkten.

Von dem boomenden Tourismus, der sich vor allem auf die beiden Zentren Darjeeling und Kalimpong konzentriert, bekommt die lokale, oftmals marginalisierte Bevölkerung beispielsweise wenig bis gar nichts ab. Ähnlich verläuft es im Verkauf von Tee: Kleinbäuer:innen haben oftmals nicht die notwendigen Mittel und Ressourcen, um geerntete Teeblätter zu höherwertigen Produkten weiterzuverarbeiten oder zu größeren Märkten zu transportieren. Übrig bleibt ihnen dann oftmals nur, ihre Erträge zu niedrigen Preisen auf lokalen Märkten oder an Zwischenhändler:innen zu verkaufen. Für Investitionen in geeignete Maschinen oder den Transport zu Märkten mit angemessenen Preisen fehlen ihnen meist die finanziellen Mittel. Der Zugang zu einem Großteil der Wertschöpfungskette bleibt den Kleinbäuer:innen aus Darjeeling somit verwehrt.

Wie so oft, sind es auch in Darjeeling die Frauen, die von den vorherrschenden wirtschaftlichen Ungleichheiten am meisten betroffen sind. Geprägt durch Gesellschaftsnormen liegt es oft in der Verantwortung der Frauen, sich um den Haushalt und die Familie zu kümmern. Damit haben sie – im Gegensatz zu den Männern aus der Region – in den wenigsten Fällen die Möglichkeit, in nahegelegenen Städten nach Arbeit zu suchen.

Verbesserung von Lebensgrundlagen durch Entrepreneurship

Genau an diesen Herausforderungen arbeitet die gemeinnützige Organisation SOCEO. Im Jahr 2019 haben sie in einem Pilotprojekt erfolgreich gezeigt wie Investitionen in eine Entrepreneurship-Ausbildung und die Einführung technologischer Innovationen einen verbesserten Marktzugang und mehr Empowerment für die Frauen der Region ermöglichen. Zusammen mit 300 Frauen in Madhovita haben sie eine Reihe von Maschinen zur Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte aufgestellt. Dazu gehören neben Reis- und Gewürzmühlen auch Trennmaschinen und Zentrifugalpulverisierer für die Weiterverarbeitung von hochwertigen Gewürzen. Diese Möglichkeit zur Weiterverarbeitung hat maßgeblich dazu beigetragen die erzielten Preise für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse der Projektteilnehmer:innen zu verbessern. Im Jahr 2019 wurden so an beiden Standorten zusammen insgesamt über 7,5 Tonnen Reis, 1 Tonne Maismehl, 550 kg Reismehl, 100 kg Weizenmehl, 100 kg Kichererbsenmehl, 76 kg Kurkuma, 6 kg Kreuzkümmel und 4 kg Zimtpulver verarbeitet.

Eine Projektteilnehmer:in bedient die neue Maschine zur Weiterverarbeitung von Reis.
Reiskörner werden von der Schale befreit © Adam Dickens

Die verarbeiteten Produkte verkaufen die Farmer:innen auf lokalen Märkten. Ein Teil wird seit letztem Jahr allerdings auch über die neu aufgesetzte E-Commerce-Plattform Amar Khamar vertrieben. Die hochwertigen Produkte können so von Kund:innen aus ganz Indien über diese Plattform bestellt werden. Die Frauen in Madhovita fungieren dabei als Knotenpunkt. 8 Projektteilnehmende wurden im letzten Jahr ausgebildet die notwendigen Schritte von Logistik und Distribution durchzuführen. Darüber hinaus lernten die 300 Bäuer:innen in einem zweitägigen Kurs die wichtigsten unternehmerischen Grundlagen und die Funktionsweise der E-Commerce Plattform kennen. Die Online-Plattform Amar Khamar ist für die Frauen ein enorm wichtiger neuer Absatzkanal.

Zwei Frauen freuen sich über die neuen Maschinen. Nun können sie ihre Produkte zu einem höheren Preis verkaufen.
Projektteilnehmer:innen in Madhovita ©Adam Dickens

Aus den Erfahrungen des Pilotprojekts lernen

Besonders wichtig aus der erfolgreichen ersten Projektphase sind in diesem Kontext die gewonnenen Erkenntnisse. Landwirtschaft ist ein zyklischer Prozess, welcher viel Zeit erfordert und stark von Jahreszeiten abhängig ist. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass es eine Verlängerung des Projektes braucht, um mit den Farmer:innen intensiver an ihren landwirtschaftlichen Prozessen arbeiten zu können. In einer Fortsetzung des Pilotprojekts wird auch erwartet ein wesentlich höheres Einkommen für die Frauen nachweisen zu können. Die erste Projektphase war dafür leider noch zu kurz. Die bisher erzielten Erfolge in den reduzierten Weiterverarbeitungskosten, dem verbessertem Marktzugang zu höherwertigen Märkten und einer effizienteren Nutzung der Ressourcen haben dafür aber schon eine gute Grundlage geschaffen.

Zwei Mitglieder des Projekts im Gespräch.
Projektteilnehmer:innen in Madhovita © Adam Dickens

In einer zweiten Projektphase sollen weiterhin Gemeinschaften von Frauen in kleinbäuerlichen Strukturen im indischen Distrikt Darjeeling wirtschaftlich und sozial gestärkt werden, nur wird diesmal der Umfang vergrößert und die Tätigkeitsbereiche erweitert. Der neue Projektzyklus ist auf 3 Jahre ausgelegt. Neben den 300 Bäuer:innen aus der ersten Runde, werden 200 neue Projektteilnehmer:innen aus den angrenzenden Ortschaften Kalimpong und Gorubathan mit einbezogen. Basierend auf dem Pilotprojekt werden im zweiten Projektzyklus die landwirtschaftlichen Tätigkeiten der Teilnehmer:innen weiter verbessert und diversifiziert.

Um das Wissen um landwirtschaftliche Prozesse unter den Farmer:innen zu mehren werden 15 der bereits ausgebildeten Frauen eine „Training of the trainer“-Schulung in natürlichen Anbaumethoden erhalten. Als Multiplikator:innen werden sie die erlernten Kenntnisse an die restlichen Teilnehmer:innen weitergeben. Damit wird sichergestellt, dass das erlangte Wissen innerhalb der Gemeinschaft nachhaltig erhalten bleibt.

Neue Maschinen und ein größeres Produktangebot

Um alternative Einkommensquellen zu schaffen, werden neben den bereits bestehenden landwirtschaftlichen Tätigkeiten neue Zweige ländlicher Technologien für ein breiteres Produktangebot eingeführt. Sie wurden danach ausgesucht, ob sie am Zielort gut umsetzbar, tragfähig und auf dem Markt nachgefragt sind. 450 Teilnehmende werden ausgewählt, welche abhängig von ihrem Interesse und Standort, eine weitere Schulung in Spezialisierungen wie Bienenzucht, Heilkräuter, Gewürzanbau, Bambusbaumschule, Tierhaltung und/oder Ghee- Produktion (spezieller Butterschmalz) erhalten.

Ergänzend zu der Produktvielfalt sollen weitere Maschinen installiert werden, welche eine Weiterverarbeitung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse ermöglichen und damit einen Mehrwert kreieren. Insgesamt vier neue Maschinen werden erworben. Drei davon dienen dazu die Gewürze zu trocknen und zu pulverisieren. Eine weitere Maschine soll die Heilkräuter zu natürlichen Aromaölen verarbeiten. Diese werden auf dem Markt stark nachgefragt und stellen somit ein lukratives Produkt dar.

Mehr Reichweite für die Bäuer:innen

Die neuen Mitglieder werden wieder an dem Grundkurs für landwirtschaftliches Unternehmer:innentum teilnehmen, welcher sich als besonders wichtige und geschätzte Aktivität im ersten Zyklus herausstellte. Zusätzlich werden einige ausgewählte Frauen jedes Jahr an verschiedenen Messen und Food Pop-Ups teilnehmen. Dort können sie ihre Produkte bewerben und somit mehr Kundschaft in urbanen Räumen erreichen. Das soll neben dem wirtschaftlichen Nutzen die Unabhängigkeit und das Selbstbewusstsein der Frauen fördern, wenn sie in den direkten Kontakt mit den Kund*innen treten.

Zukünftige Selbstständigkeit fördern

Mit der Förderung von Lemonaid & ChariTea e.V. deckt das Projekt den größten Teil der Kosten für die unterschiedlichen Schulungen und die anfallenden Personalkosten ab. Auch werden damit die Ausgaben für die Diversifizierung-Ausrüstung, die Anschaffung und Installation der neuen Maschinen, sowie Transport und Unterkunft der Teilnehmenden während der Promotionsevents gedeckt.

Langfristig gesehen, ist das Projekt darauf ausgelegt von den Frauen aus der Region selbstständig weitergeführt zu werden und die naturfreundlichen landwirtschaftlichen Praktiken zu fördern. Das angeeignete Wissen sowie die unternehmerischen Aspekte des Projekts sollen die finanzielle Situation der Projektteilnehmenden verbessern und dazu beitragen, dass sowohl die installierten Maschinen erhalten bleiben als auch die unternehmerischen Aktivitäten erweitert werden können.

Bereits in der ersten Projektrunde haben die Teilnehmenden ihr Empowerment durch die Verbesserung ihrer Kompetenzen, ihres Wissens und ihrer Lebensgrundlage ausgedrückt. Auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene will das Projekt Frauen in ländlichen Strukturen dazu verhelfen sowohl ihren sozialen wie auch wirtschaftlichen Status langfristig zu verbessern. Die Arbeit von SOCEO unterstützt sie darin ihr Potenzial zu entfalten und den Marktzugang und den Verdienst zu erhalten, der ihnen zu steht.

Projektleiter:innen der Frauen in Madhovita
Projektleiter:innen der ersten Pilotphase © Adam Dickens 2018