Seit fast zehn Jahren unterstützt der Lemonaid & ChariTea e.V. lokale Organisationen in den Anbauländern der Zutaten der Limonaden und Tees, die in ihren Gemeinden durch verschiedene Projekte zur sozio-ökomischen Entwicklung beitragen. Der Fokus legen wir dabei vor allem auf langfristige Partnerschaften. So wurden die meisten Organisationen über einen Zeitraum von drei Jahren gefördert, unsere maximale Förderdauer für ein Projekt. Dieser Zeitraum erlaubt es unseren Projektpartner:innen, begleitet von einem regelmäßigen und vertrauensvollen Austausch, Planbarkeit und weitreichende Projekte umzusetzen, um nachhaltig positive Veränderungen herbeizuführen. Im Laufe der letzten Monate ist die Unterstützung viele unserer Projekte ausgelaufen, die wir 2017 begonnen haben. Wir wollen an dieser Stelle über die Wirkweisen und Ergebnisse einige dieser Projekte berichten.


Um nachhaltige, selbstbestimmte und unabhängigen Lebensgrundlagen in den Anbauländern zu fördern, konzentrieren wir uns auf die Unterstützung lokaler NGO’s in den Bereichen Einkommensgenerierung, finanzielle Teilhabe und Unternehmer:innentum. Ein gutes Beispiel für den Bereich der Einkommensgenerierung ist der Bulungula Incubator am Ostkap Südafrikas, den der Lemonaid & ChariTea e.V. von 2017 bis 2020 unterstützte. Mit dem Ziel, die Lebensbedingungen dieser historisch (als ehemaliges „Homeland“ während der Apartheid) und auch klimatisch strukturell sehr benachteiligten Region zu verbessern, verfolgt das Projekt verschiedene Ansätze: Zum einen betreibt Bulungula ein umfangreiches Kompetenzzentrum. Hier werden Kleinbäuer:innen mit Know-How über landwirtschaftliche Anbau- und Bewässerungsmethoden sowie Samen, Düngemitteln oder Anbaugeräten ausgestattet. Außerdem betreut die Einrichtung eine Setzlingsschule, die als Vorbild und Inspiration bereits anderen Partnerorganisationen wie Nceduluntu in ihrem Setzlingsprojekt diente. Kohl-, Rote Beete-, Spinat- und Zwiebelsetzlinge wurden zu erschwinglichen Preisen an die lokale Bäuer:innen verkauft. Insgesamt vervierfachten sich die jährlichen Verkäufe auf über 70.000 Setzlinge im Jahr 2019. Durch diese Entwicklung leistet Bulungula einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit der Region.

Mit dem Ziel, Einkommen für Farmer:innen aus der Region zu generieren, hat sich außerdem ein kooperativer Ansatz zwischen Kleinbäuer:innen und dem Bulungula Centre für den Verkauf von Roter Bete etabliert: Farmer:innen verkaufen ihr Gemüse zu fairen Preisen an das Centre, wo die Rüben dann eingelegt, zu Salat verarbeitet und in der gesamten Region gewinnbringend verkauft werden. Auch hier stieg die Nachfrage stetig an, wodurch zuletzt insgesamt acht Farmer:innen (größtenteils Frauen) das Bulungula Centre beliefert haben. Vor etwa einem Jahr traten die Leiter:innen des Inkubators mit einem begleitenden Teilprojekt aufgrund der im Laufe der Zeit gewonnenen Erkenntnisse an uns heran. Dies bedeutete, dass das Potenzial der kommerziellen Landwirtschaft in der Region anhand eines Modellprojekts aufgezeigt werden sollte. Finanziell unterstützt von unserem Verein, bezahlten sie einer Gruppe von vier besonders motivierten Farmer:innen ein halbes Jahr lang Stipendien und berieten sie zusätzlich intensiv über landwirtschaftliche Praktiken, z.B. welche Feldfrüchte wirtschaftlich am rentabelsten wären.  Die Idee war, erfolgreiche kommerzielle Landwirtschaftsprojekte zu etablieren, die als Vorbild für andere Famer:innen vor Ort dienen sollten. Die ersten Ergebnisse waren äußerst vielversprechend. Drei der vier Teilnehmenden konnten ihr Einkommen durch eine sehr erfolgreiche erste Ernte deutlich steigern. Im weiteren Verlauf des Projekts erwies es sich jedoch als schwierig, die Farmer:innen langfristig von der Idee der kommerziellen Landwirtschaft zu überzeugen. Dafür gab es mehrere Gründe, nicht zuletzt die anhaltend starken Regenfälle Ende 2019 und ein immenser Ernteverlust, der die Zuversicht in dieses Geschäftsmodell schwinden ließ. Dennoch hat Bulungula die Hoffnung noch nicht aufgegeben: In einem weiteren Stipendienprogramm wollen sie diesmal zwölf Farmer:innen das Potenzial der kommerziellen Landwirtschaft näher bringen und die Nahrungsmittelversorgung in der Region stärken.

Öko-Landwirte aus der Region Florencio Varela. ©Cedepo

Große Nachfrage nach Öko-Landwirtschafts-Seminaren

Projekte mit Ziel der Einkommens­generierung, wie der Bulungula Incubator, gehen fast immer mit umfangreichen Bildungsangeboten einher. Diese geben lokalen Communities oft erst die Möglichkeit, bestimmte Berufe auszuüben oder Spezialisierungsschritte auszuführen wie z.B. die Weiterverarbeitung von Rohwaren zu höherwertigen Produkten, um somit die lokale Wertschöpfung zu erhöhen. Aus- und Weiterbildungen sind somit ein weiterer Schwerpunkt unserer Projektförderungen. Ein Beispiel dafür ist die gemeinnützige Organisation Cedepo aus Argentinien, die wir von 2017 bis 2019 unterstützten. In vielerlei Hinsicht verfolgen die Organisation einen ähnlichen Ansatz wie der Bulungula Incubator. In der Nähe der Hauptstadt Buenos Aires betreibt Cedepo ein landwirtschaftliches Ausbildungszentrum. Neben Angeboten zum Umstieg von konventioneller zu biologisch-dynamisch Landwirtschaft für lokale Landwirt:innen gibt es weitere Beratungsangebote zu Marktzugangsstrategien, Produktdiversifikation und Saatgutproduktion. Das Bildungsprogramm der letzten drei Jahre war ein riesiger Erfolg. Mit einer Zahl von insgesamt 368 Teilnehmenden fiel die Nachfrage deutlich höher aus als ursprünglich geplant und es gibt immer noch Wartelisten für neue Workshops.

Allerdings gab es auch Probleme in der Projektumsetzung. Aufgrund der hohen Inflationsrate in Argentinien von über 50 Prozent im Jahr 2019 war es für Familien unmöglich, ihr Einkommen zu verbessern. Im Bereich der Saatgutproduktion konnten sechs verschiedene Produzent:innen-Gruppen für Saatgut etabliert werden, die nun insgesamt 24 (statt wie ursprünglich geplant sieben) hochwertige Saatgutarten produzieren und über Cedepo vertreiben. Benachteiligten Familien stellte Cedepo Saatgutpakete mit 12-14 verschiedenen Sorten kostenlos zur Verfügung, wodurch sie in wirtschaftlich instabilen Zeiten zumindest für den Eigenverbrauch ausreichend anbauen können. Durch ihren Beitrag zur Stärkung der Ernährungssicherheit und Biodiversität in der Region, hat sich Cedepo auf vielen Ebenen als ein sehr wichtiger Teil der lokalen Community etabliert.

Mit Indigo gefärbte Textilien aus der Earthcraft Kooperative. ©Avani

Indigo schafft farbenfrohe Einkommensmöglichkeiten

Viele der Projekte, die wir fördern – vor allem im landwirtschaftlichen Bereich –, sind in sogenannten Kooperativen organisiert. Ein Beispiel dafür ist die im indischen Himalaya ansässige gemeinnützigen Organisation Avani, die in den letzten drei Jahren von uns unterstützt wurde. Zu der Organisation gehört die Kooperative Earthcraft. Diese verfolgt das Ziel, den natürlichen Ressourcen und traditionellen Fertigkeiten der Region Kumaon einen Wert zu geben, um dadurch Jobperspektiven für die ländlichen Gemeinden zu schaffen. Das gelingt ihnen dadurch, dass sie einen möglichst großen Teil der Wertschöpfungskette und damit auch der Umsätze in der Region behalten. Lokale Bäuer:innen können landwirtschaftliche Produkte wie z.B. Kurkuma oder Walnüsse zu fairen Preisen an die Kooperative verkaufen. Earthcraft unterstützt sie dabei in technischen Fragen bezüglich ihrer Anbaupraktiken.

Ein weiterer Teil des Projektes war die Ausbildung von (Kunst-) Handwerker:innen. Über die Kooperative haben sie eine Anstellung gefunden und produzieren jetzt nach traditionellen Methoden hochwertige Textilien wie Leinen, Wolle und Seide, aber auch Kosmetikartikel. Earthcraft selbst kümmerte sich um den Verkauf der Waren über verschiedene Vertriebskanäle in überregionalen und internationalen Märkten. Ein wichtiges Ziel der letzten drei Jahre war es, den Umsatz zu erhöhen, um für die Bäuer:innen und Handwerker:innen ein regelmäßiges Einkommen zu schaffen. Dies ist ihnen erfolgreich gelungen: Die Anzahl an Lieferant:innen und Angestellten wuchs von 1.400 auf 2.200. Darüber hinaus hat es die Organisation durch ihren innovativen Ansatz geschafft, die Produktion des natürlichen Farbstoffs Indigo in der Region zu etablieren. Zusammen mit lokalen Farmer:innen wählten sie in einem langen Prozess mit vielen Experimenten und Tests drei verschiedene Indigo-Sorten aus, die für die Verhältnisse vor Ort besonders gut geeignet sind. Mittlerweile beliefern insgesamt 300 Bäuer:innen die Kooperative mit Indigo und verdienen sich somit ein zusätzliches Einkommen. Auch die Handwerker:innen der Kooperative konnten in den letzten drei Jahren ihr Portfolio erweitern: Sie entwickelten einige neue Produkte wie z.B. sechs verschiedene, natürliche Farbstoffe, Seifennuss(-pulver), Buntstifte sowie Wasser- und Ölfarben. Avani legt besonderen Wert darauf, marginalisierten Gruppen mit ihren Projekten zu helfen. Deshalb waren im vergangenen Förderzeitraum unter den Projektteilnehmenden vor allem Frauen, viele von ihnen haben wenig oder kaum Bildung, sind mittellos oder verwitwet.

Empowerment indischer Frauen – auch in Zeiten der Krise

Auch die gemeinnützige Organisation Jyothi Seva Kendra Trust im südlichen Indien liefert einen wichtigen Beitrag zu einer gendergerechten Gesellschaft. Ihr Ziel ist es, die Armut und die damit verbundenen Probleme und Ursachen wie Arbeitslosigkeit und Unterernährung im ländlichen Raum des südindischen Bundesstaates Karnataka zu verringern, mit einem klaren Schwerpunkt auf der Emanzipation der Frauen. In ihrem Ausbildungszentrum haben sie in den letzten drei Jahren eine Vielzahl benachteiligter Frauen zu Näherinnen oder Kosmetikerinnen ausgebildet und mit entsprechenden Zertifikaten ausgestattet. Nach Abschluss der Ausbildung stellte das Zentrum 19 der Frauen direkt ein, während andere von Jyothi dabei unterstützt wurden, sich entsprechend ihren Vorstellungen selbständig zu machen. Dafür bekamen über die letzten drei Jahre insgesamt 45 Frauen von Jyothi Mikro-Kredite, die sie hauptsächlich in eigene Unternehmen und die Bildung ihrer Kinder investierten. Alle Kredite wurden mittlerweile zu 100 Prozent wieder zurückgezahlt. Jyothi legt außerdem großen Wert auf eine ganzheitliche Ausbildung der Frauen. Dazu gehören in Indien auch sehr gute Englischkenntnisse. Deshalb erhielten die Projektteilnehmerinnen intensiven Englischunterricht, wodurch sie sich mittlerweile gut auf Englisch verständigen können.

Neben der beruflichen Ausbildung sowie der fairen Bezahlung der Frauen trug die Institution noch auf andere Weise zur Emanzipation und Empowerment der Frauen bei: Das Jyothi Centre bietet ihnen einen Safe Space, d.h. einen Raum, in dem sie sich sicher bewegen und mit anderen Frauen austauschen können. Dieser Austausch passierte vor allem in kleinen, festen Gruppen, in denen über die Jahre starke, vertrauensvolle Bindungen gewachsen sind. Diese Angebote kamen bei den Frauen sehr gut an und wurden viel genutzt. Durch das regemäßige Einkommen und der damit zusammenhängenden finanziellen Unabhängigkeit der Frauen wurde außerdem ihre Position innerhalb der Familien und damit ihre Entscheidungsmacht deutlich gestärkt. Damit einher ging oftmals ein spürbar gesteigertes Selbstvertrauen und -bewusstsein der Projektteilnehmerinnen. Als Folge entschieden beispielsweise viele der teilnehmenden Mütter, ihren Kindern, insbesondere ihren Töchtern, eine höhere Bildung zu ermöglichen, anstatt sie jung zu verheiraten. Infolge der Corona-Pandemie mussten viele dieser Aspekte pausiert werden. Aufgrund des Lockdowns konnten viele der physischen Treffen und Trainings erstmal nicht stattfinden. Stattdessen wurden alternative Möglichkeiten etabliert, um die Projektteilnehmerinnen zu unterstützen und ihnen auch von daheim aus ein festes Einkommen zu ermöglichen. Bei der „Masken für Chittapur“-Kampagne konnten über den Online-Shop von Jyoti Fair Works selbstproduzierte Masken virtuell in Deutschland erworben werden, die dann an die lokale Community und an Krankenhäuser in Indien verteiltet wurden. Weiterhin organisierte Jyoti Fair Works mit den Näherinnen eine „Zero-Waste Design Challenge“. Von daheim aus fertigen die Frauen dabei aus ihren besten Stoffüberresten wunderschöne, handbestickte Decken an. Diese sehr aufwendigen Decken werden nun über den Online Shop verkauft, sodass die Einrichtung den Näherinnen über die gesamte Lockdown-Phase durch ihre Gehälter zahlen konnte.

Einkommensschaffende Projekte, in Kombination mit beruflichen Aus- und Weiterbildungs­angeboten können auf vielerlei Hinsicht dazu beitragen, eine Region sozial und wirtschaftlich zu stärken. Gleichzeitig operieren unsere Projektpartner:innen unter volatilen Bedingungen, die einen immensen Einfluss auf den Projekterfolg ausüben können. Dabei ist es umso wichtiger, dass Organisationen und auch wir als Geberorganisation flexibel auf die veränderten Gegebenheiten im Projektkontext wie Inflation oder anhaltende Dürre reagieren. Darüber hinaus zeigen diese Situationen, inwiefern unsere Projektpartner:innen geschult sind, mit diesen Unsicherheiten umzugehen und dass sie selbst am besten verstehen, diesen im lokalen Kontext zu begegnen. Mit angepassten Lösungen können eine nachhaltige, lokale Wertschöpfung und ein fairer Zugang zu (über)regionalen Märkten vielen Menschen eine unabhängige, selbstbestimmte Lebensgrundlage bieten. Dies kann nicht nur zu weniger Armut, einer verbesserte Nahrungsmittelsicherheit und höheren Bildungschancen beitragen, sondern oftmals auch zu mehr Gendergerechtigkeit und einer stärkeren Resilienz gegenüber den verheerenden Auswirkungen der Klimakrise und wirtschaftlichen Unsicherheiten.

Projektteilnehmerinnen aus Chittapur. ©Jyothi